110 Jahre Alfa Romeo (6): Rückkehr auf die Rennstrecke
Der 24. Juni war für Alfa Romeo ein historisches Datum: An jenem Tag vor 110 Jahren wurde die Biscione – wie die Traditionsmarke in Italien in Anlehnung an die Schlange im Logo genannt wird – gegründet. Mit der „Storie Alfa Romeo“ wird jetzt im Internet auf die über 100-jährige Geschichte zurückgeblickt. Dabei werden nicht nur die bekanntesten Modelle der Marke anhand von Archivaufnahmen aus dem Museo Storico, dem Werksmuseum von Alfa Romeo, im Mailänder Vorort Arese, vorgestellt. Der Blick gilt auch der Geschichte und gesellschaftlichen Entwicklung Italiens.
Alfa Romeo hatte 1950 und 1951 die ersten beiden
Formel-1-Weltmeisterschaften für sich entschieden und sich dann aus der
Königsklasse zurückgezogen, um sich ausschließlich auf den Bau von
Sportwagen zu konzentrieren. 1964 entschied Giuseppe Luraghi – zu jener
Zeit Präsident von Alfa Romeo – die offizielle Rückkehr der Marke in den
Motorsport. Um keine Zeit mit dem Aufbau eines eigenen Werksteams zu
verlieren, erwarb Luraghi Autodelta. Die ursprünglich in Udine im
Nordosten von Italien beheimatete Firma war bereits Partner von Alfa
Romeo bei der Produktion des Modells TZ. Zusammen mit Autodelta kehrte
Carlo Chiti, der bereits von 1952 bis 1957 für Alfa Romeo gearbeitet
hatte, zur Marke zurück und übernahm die Leitung des offiziellen Teams.
Luraghi beauftrage Chitis Mannschaft mit der Entwicklung eines
Rennwagens, der in zwei zu dieser Zeit äußerst populären Kategorien –
der Sportwagen-Weltmeisterschaft und Bergrennen – um Erfolge und
Medienaufmerksamkeit fahren sollte. Noch 1964 begannen die Arbeiten am
Projekt Tipo 33. Mitte der 1960er-Jahre verlegte Autodelta den
Firmensitz von Udine nach Settimo Milanese in der Nähe von Mailand.
Damit reduzierte sich die Distanz zum Alfa-Romeo-Werk in Portello, vor
allem aber zur Teststrecke in Balocco an der Autobahn zwischen Mailand
und Turin.
Alfa Romeo konstruierte zunächst den tragenden Rahmen für den Tipo 33,
das erste Exemplar wurde 1965 an Autodelta geliefert. Der Rahmen bestand
aus drei H-förmig miteinander verschweißten Röhren aus einer
Aluminiumlegierung. Die Kraftstofftanks waren in die seitlichen
Hohlräume integriert. Ein aus Magnesium gefertigter Hilfsrahmen vorn
nahm die Vorderradaufhängungen, die Kühler, die Lenkung und die Pedale
auf. Motor und Getriebe waren in Längsrichtung hinter dem zweisitzigen
Cockpit montiert. Die Karosserie bestand aus Glasfaser, um das
Fahrzeuggewicht auf 600 Kilogramm zu bringen – das vom Reglement
geforderte Mindestgewicht. Auch beim Tipo 33 war Leichtbau die Prämisse
der Marke.
Der Stradale blieb selten und teuer
Fast zwei Jahre vergingen, bis der Tipo 33 fertig war. Für die ersten Testfahrten installierten die Techniker den 1,6-Liter-Vierzylindermotor des GT-Sportwagens TZ2. Parallel dazu wurde ein völlig neues Triebwerk entwickelt. Mit acht Zylindern in V-Form und einem Hubraum von zwei Litern leistete es anfangs 230 PS (169 kW). Die erste Version des Tipo 33 erhielt den Spitznahmen „Periscopica“, weil der über den Überrollbügel hinausragende Lufteinlass des Motors an das Periskop eines U-Boots erinnerte. Die Premiere fand am 12. März 1967 bei einem Bergrennen im belgischen Fléron bei Lüttich statt. Pilot war der Cheftestfahrer von Autodelta, Teodoro Zeccoli – und holte gleich den ersten Sieg für den Tipo 33. Seine Erfolgsgeschichte gipfelte im Gewinn der Marken-Weltmeisterschaften 1975 und 1977.
Die Siege des Tipo 33 ermunterten Alfa Romeo, eine Straßenvariante zu
entwickeln. Die Aufgabe, den sportlichen Charakter des Rennwagens auf
den „Stradale“ zu übertragen, wurde Franco Scaglione anvertraut. Er
hatte zunächst für Pinin Farina gearbeitet, dann bei Bertone und war
später freiberuflich tätig. Scaglione entwarf am Ende ein
außergewöhnliches Auto. Die Motorabdeckung des Tipo 33 Stradale ließ
sich als Ganzes öffnen, um den Zugang zu den mechanischen Komponenten zu
erleichtern. Zum ersten Mal hatte ein straßenzugelassenes Auto vorn
angeschlagene Flügeltüren. Sie sahen nicht nur spektakulär aus, sie
erleichterten auch das Einsteigen in das weniger als einen Meter hohe
Fahrzeug. Hauptunterschiede zum Rennwagen waren die Verlängerung des
Radstands um zehn Zentimeter und die Verwendung von Stahl anstelle von
Aluminium für den H-förmigen Rahmen.
Der Motor des Tipo 33 Stradale war identisch mit der Rennversion. Er bestand nahezu vollständig aus Aluminium- und Magnesiumlegierungen. Beide Zylinderbänke waren mit zwei obenliegenden Nockenwellen sowie zwei Ventilen und zwei Zündkerzen pro Zylinder ausgerüstet. Die Höchstgeschwindigkeit betrug 260 km/h. Den Sprint von null auf 100 km/h erledigte der Tipo 33 Stradale in 5,5 Sekunden.
Einem breiten Publikum stellte Alfa Romeo den Tipo 33 Stradale auf dem
Turiner Autosalon 1967 vor. Einem kleinen exklusiven Kreis war das Auto
kurz vorher im Rahmen des Großen Preis von Italien am 10. September 1967
auf der Rennstrecke von Monza präsentiert worden. Beim Marktstart war
der Tipo 33 Stradale der teuerste Sportwagen. Er kostete damals fast 10
Millionen italienische Lire, die wichtigsten Konkurrenten dagegen nur
sechs bis sieben Millionen. Nur zwölf Exemplare mit der von Scaglione
entworfenen Karosserie wurden gebaut.
Ein Auto für die Expo
Die Mechanik des Tipo 33 Stradale nutzte Alfa Romeo für das Konzeptfahrzeug Carabo, das auf dem Pariser Autosalon 1968 ausgetellt wurde. Die geschwungenen Linien verschwanden zugunsten einer scharfkantig Formgebung, von der Keilform bis zu den Scherentüren. Der Name war vom Goldlaufkäfer (Carabus auratus) inspiriert, denn das Showcar war in einem schillernden Grün mit orangefarbenen Details lackiert.Ein Jahr zuvor hatte Alfa Romeo für die Weltausstellung im kanadischen
Montreal den Auftrag bekommen, ein Fahrzeug stellvertretend für „Das
höchste Streben des modernen Menschen im Bereich Automobil“ zu schaffen.
Das von Bertone mitgestaltete Konzeptfahrzeug stieß auf so viel
Begeisterung, dass es zu einem Straßenfahrzeug weiter entwickelt wurde,
das 1970 auf dem Genfer Autosalon seine Premiere feierte. Im Gegensatz
zum Konzeptfahrzeug der Expo wurde der fertige Alfa Romeo Montreal von
einem V8-Motor angetrieben, der ebenfalls auf dem Triebwerk des Tipo 33
Stradale basierte. Im Sinne höherer Alltagstauglichkeit waren der
Hubraum auf 2,6 Liter erhöht und die Leistung auf 200 PS (147 kW)
gesenkt worden. Die Scheinwerfer versteckten sich bei Nicht-Gebrauch zum
Teil hinter Lamellen-Lidern. Bis 1977 entstanden knapp 400 Exemplare.
Text: ampnet/jri
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