Im Rückspiegel: Die Königin der Flat-Tracker
war ein Kind der ausgehenden Sechziger und ihre Geburt vor 50 Jahren verdankt die Harley-Davidson XR-750 der Tatsache, dass der amerikanische Motorradrennsportverband AMA (American Motorcyclist Association) im Jahr 1970 das Reglement für die Flat-Track-Rennen geändert hatte. Es ließ seitengesteuerten Motoren, wie sie Harley-Davidson bisher erfolgreich verwendete, keine Chance mehr. Ein 750er-OHV-Triebwerk musste her – und Harleys Rennmanager Dick O’Brien baute es mit seinem Team auf Basis des V-Twins, der in der Sportster-Rennmaschine XLR zum Einsatz kam.
Beim Flat-Tracker fand das getunte Triebwerk in einem modifizierten
Racingrahmen Platz, der mit Ceriani-Gabel und Girling-Federbeinen
verfeinert und von einem Fiberglastank nebst -bürzel in Harleys
Rennfarbe Jet Fire Orange gekrönt wurde. Auf die leichten
19-Inch-Speichenräder wurden Rennpneus gezogen, und die 2,8 Liter
Motoröl zirkulierten durch einen optimierten Kreislauf.
Die Maschine brachte lediglich 134 Kilogramm auf die Waage. Eine
Viertelumdrehung des Gasgriffs genügte, um die Drosselklappe vollständig
zu öffnen. 200 Einheiten wurden dem AMA-Reglement enstprechend
hergestellt. 3200 US-Dollar kostete eine XR – Bremsen nicht inbegriffen,
denn im Flat-Track braucht es nur eine einzige davon und die konnten
die Teams ganz nach persönlicher Vorliebe am Heck nachrüsten.
Zwei Jahre später erreichte die XR-750 ihre endgültige Reife.
Leichtmetallzylinder und -köpfe erlaubten ab 1972 eine höhere
Kompression und waren thermisch gesünder als das bisherige Gusseisen.
Den hinteren Zylinder drehten die Ingenieure um, so dass zwei mit
wuchtigen Luftfiltern versehene 36er-Vergaser rechts und ein
hochgezogener Auspuff links Platz fanden. Kurbelwelle, Pleuel, Kolben
und Ventile wurden auf ein modifiziertes Bohrungs-Hub-Verhältnis hin neu
konstruiert. Mehr Leistung und Standfestigkeit waren der Lohn der Mühe.
In den Jahren 1972 bis 2008 entschied die Flat-Track-Harley – ständig
weiter optimiert – 29 der 37 AMA-Grand-National-Championships für sich.
Auf ihr Konto gehen mehr Rennsiege als bei jedem anderen Motorrad in der
Geschichte der AMA. Stuntman Evel Knievel vollführte seine
spektakulärsten Sprünge auf einer XR-750, und das Guggenheim Museum
erkor sie zu einem der Schmuckstücke in der Ausstellung „The Art of the
Motorcycle“. Zu ihren straßenzugelassenen Derivaten gehören die 1983
eingeführte XR 1000 und die XR 1200, die 2008 auf den Markt kam.
Ab Beginn der 80er-Jahre fertigte Harley-Davidson statt kompletter
XR-750-Flat-Tracker nur noch Motoren und sicherte die Teileversorgung
für die Rennteams, die ihre Fahrwerke inzwischen ohnehin gern in
Eigenregie zusammensteckten. Zum Ende des Jahrzehnts gab es dann statt
der Motoren nur noch Teile. Wer eines der etwas mehr als 500
Komplettbikes aus Milwaukee besitzt, kann sich glücklich schätzen, denn
es ist längst ein Vielfaches seines ursprünglichen Preises wert.
Stuntman Evel Knievel schwor auf die Harley-Davidson XR-750. Foto: Auto-Medienportal.Net/Harley-Davidson
Noch heute donnern – inzwischen auf über 100 PS erstarkte –
XR-750-Rennmaschinen über amerikanische Flat-Track-Pisten. Die Basis der
XG 750R ist der flüssigkeitsgekühlte 60-Grad-V2 aus den
750er-Street-Modellen.
Text: ampnet/jri
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