Ford-Werk in Saarlouis bereitet 50-Jahr-Feier vor
Das Jahr 1970 war ein Jahr mit vielen geschichtsträchtigen Ereignissen: Willy Brandt kniete in Warschau, die Beatles trennten sich und Pelé holte mit der brasilianischen Fußballnationalmannschaft seinen dritten WM-Titel. Und im beschaulichen Saarlouis fand am 16. Januar 1970 ein Ereignis statt, das für die Stadt, das gesamte Saarland und die Ford-Welt bedeutsam war: Das erste Fahrzeug rollte im Ford-Werk Saarlouis vom Band.
Es war ein Ford Escort mit 1,1-Liter-Motor und 40 PS. Also ein Auto mit
relativ kleinem Motor und relativ wenig Leistung, aber dennoch großer
Bedeutung. Denn mit diesem Escort begann die Erfolgsgeschichte des Werks
in Saarlouis, das sich zu einer der effizientesten Produktionsstätten
in der gesamten Branche und zu einem der größten Arbeitgeber des
Saarlandes entwickelte. Bis heute sind in Saarlouis mehr als 15
Millionen Ford-Modelle vom Band gelaufen.
Dass das Werk solche Dimensionen erreichen würde, war vor 50 Jahren noch
nicht absehbar und wohl auch kaum vorstellbar. Doch von Anfang an
wurden große Hoffnung und wirtschaftliche Bedeutung mit dem Ford-Werk
verbunden. Das zeigte sich schon allein daran, dass Ministerpräsident
Franz-Josef Röder den ersten Ford Escort aus Saarlouis eigenhändig vom
Band fuhr.
Bereits dreieinhalb Jahre zuvor am 16. September 1966 hatte
Ford-Generaldirektor Robert G. Layton den Grundstein für den Bau des
Werks gelegt. Es entstand im wahrsten Sinne des Wortes auf der grünen
Wiese, nämlich auf dem Gelände des ehemaligen Flugplatzes Röderberg. Das
1,4 Millionen Quadratmeter große Werkareal war bis dahin von Wiesen und
Bäumen überwuchert.
Dass Ford sich gerade hier niederließ, lag auch an einem besonders
einflussreichen Unterstützer: Ludwig Ehrhardt, damaliger Bundeskanzler
und Vater des Wirtschaftswunders, setzte sich beim Ford-Vorstand in Köln
für Saarlouis ein. Mit der Ansiedlung von Ford wollte Ehrhardt die
saarländische Wirtschaft beleben, die durch die starke Konzentration auf
Kohle und Stahl in die Krise geraten war.
Die Produktion im Ford-Werk begann schon 1968, allerdings wurden noch
keine kompletten Fahrzeuge hergestellt. Rund 700 Beschäftigte fertigten
zunächst Karosserieteile für andere europäische Ford-Werke, auch für
Renault. Im Oktober 1969 entstand dann die erste Escort-Rohkarosse und
drei Monate später folgte die eigentliche Geburtsstunde des
Automobilwerks Saarlouis, als Ministerpräsident Röder das erste
Ford-Modell vom Band fuhr.
Offiziell eingeweiht wurde das Werk am 11. Juni 1970 bei einem Festakt
mit der Unterzeichnung der Gründungsurkunde durch Henry Ford II. Der
Enkel des Firmengründers bezeichnete das Fabrikgelände in Saarlouis in
seiner Festrede „als eines der schönsten Ford-Werke der ganzen Welt".
In 50 Jahren Automobilbau ist enorm viel passiert: in Saarlouis, bei
Ford und in der gesamten Automobilindustrie. Das zeigt sich deutlich,
wenn man das erste Auto „made in Saarlouis“ mit dem 15-millionsten
vergleicht, einen Ford Focus ST, der im Dezember 2019 in Saarlouis vom
Band lief. Sein 2,3-Liter-Motor ist rund doppelt so groß wie der seines
Urahns, läuft aber auch auf vier Zylindern. Doch während der Ford Escort
der ersten Baureihe mit seinem 1,1-Liter-Motor 40 PS generierte, bringt
der Ford Focus ST 280 PS auf die Straße, also exakt die siebenfache
Leistung.
In Sachen Elektronik sind die Unterschiede ebenfalls immens: Der erste
Ford Escort aus Saarlouis verfügte noch nicht einmal über ein Autoradio.
Hingegen ist die vierte Ford Focus-Generation, die seit Mai 2018 wie
alle Focus-Baureihen vor ihr in Saarlouis produziert wird, als erste
europäische Ford-Modellreihe serienmäßig mit dem Ford-Pass-Connect-Modem
ausgestattet. Als fahrender Computer bietet der Ford Focus damit
mobilen Internetzugang für bis zu zehn Endgeräte gleichzeitig. Das war
1970 schon allein deshalb nicht vorstellbar, weil das Internet erst 20
Jahre später online ging.
Mit seinen Assistenztechnologien, zusammengefasst unter dem Begriff
„Ford Co-Pilot360", erreicht der aktuelle Ford Focus Level 2 des
autonomen Fahrens. Er hält automatisch die Spur und den Abstand zum
vorausfahrenden Fahrzeug, bremst im Notfall automatisch ab und lässt
sich per Knopfdruck einparken. Beim Escort half da nur der Rückspiegel.
Nicht, dass ein falscher Eindruck entsteht: Der Ford Escort war zu
seiner Zeit ein Erfolgsmodell. Fünf Generationen und mehr als sechs
Millionen Escort-Modelle liefen in Saarlouis vom Band, darunter zum
Beispiel der Ford Escort RS 2000. Das Topmodell der ersten Generation
kam 1973 auf den Markt, leistete 100 PS und legte das Fundament für
zahlreiche Motorsporterfolge. Beispielsweise bescherte der Escort RS
2000 Ford 1973 den Gewinn der Rallycross-Europameisterschaft. Seine
Nachfolge-Modelle der zweiten und dritten Escort-Generation, die Ford
Escort RS 1800 holten 1979 und 1981 sogar den Rallye-Weltmeistertitel.
50 Jahre Ford Saarlouis: Ford Capri. Foto: Auto-Medienportal.Net/Ford
Die Serienversion der dritten Escort-Generation errang ebenfalls 1981
die wohl höchste Auszeichnung, die man in der europäischen
Automobilindustrie erreichen kann: Die internationale Fachjury kürte den
damals ganz neuen Ford Escort zu Europas "Car of the Year".
Im Juli 1998 kam es in Saarlouis dann zur Wachablösung: Ein
Erfolgsmodell löste das andere ab. Der Ford Focus ersetzte den Ford
Escort und wiederholte bereits ein Jahr nach dem Produktionsstart den
großen Erfolg seines Vorgängers und wurde 1999 Europas „Auto des
Jahres“.
In der internen Produktionswertung von Saarlouis hat der Ford Focus
seinen Vorgänger bereits abgehängt. Seit 1998 sind mehr als 6,1
Millionen Ford Focus-Modelle in Saarlouis vom Band gelaufen, also etwa
100.000 mehr als Escorts. Und der Ford Focus – das mehrfach weltweit
meist verkaufte Auto des Jahres – benötigte dafür eine Generation und
sieben Jahre weniger als sein Vorgänger.
„Der Ford Focus war und ist ein ganz besonderes Auto", sagt Gunnar
Herrmann, Vorsitzender der Geschäftsführung der Ford-Werke GmbH. Der
Ford-Chef selbst ist überaus eng mit dem Ford Focus verbunden. An jeder
der vier Generationen war er maßgeblich beteiligt, unter anderem als
Chefentwickler und Baureihen-Leiter. „Es gibt in der gesamten Branche
wohl kaum jemand, der so eng und so lange mit einer Baureihe verbunden
ist, wie ich mit dem Ford Focus“, betont Herrmann.
Die sportliche Krone setzte Ford der Baureihe mit dem Focus RS auf.
Vorgestellt wurde der kompakte Sportwagen im Oktober 2002. Sein
Zweiliter-Turbomotor leistete 215 PS. Die zweite Focus RS-Generation
ging im Januar 2009 in Serie, mit einem 2,3-Liter-Motor mit fünf
Zylindern und 305 PS. Er beschleunigte von 0 bis 100 km/h in 5,9
Sekunden und erreichte eine Höchstgeschwindigkeit von 263 km/h. Bei
seinem Nachfolger, der im März 2016 auf den Markt kam, steigerten die
Ford-Entwickler die Leistung sogar nochmal: auf 350 PS.
50 Jahre Ford Saarlouis: Das 10.000.000ste Fahrzeug, ein Ford Focus SLS. Foto: Auto-Medienportal.Net/Ford
Der Ford Escort und der Ford Focus waren mit zusammen mehr als zwölf
Millionen Einheiten zweifellos die erfolgreichsten Modelle in Saarlouis.
Doch es gab noch fünf andere Modellreihen:
Von 1971 bis 1975 fertigte das Werk am Röderberg knapp 150.000 Einheiten
eines wahren Klassikers, des Ford Capri. Der populäre Alltagssportwagen
aus der Feder des Mustang-Designers Philip T. Clark war ein automobiler
Traum, den sich auch Otto Normalverbraucher verwirklichen konnte.
Auch der meistverkaufte Kleinwagen Europas blickt auf ein Kapitel
Saarlouiser Geschichte zurück: Denn der erste Ford Fiesta lief 1976 in
Saarlouis vom Band. Bis 1980 produzierte die Saarlouiser Ford-Mannschaft
mehr als 720.000 Einheiten des Kleinwagen-Klassikers.
Parallel zum Ford Escort fertigte das Werk zudem von 1983 bis 1993 mehr
als 500.000 Einheiten des Ford Orion. Mit dem Orion als
Stufenheckvariante erweiterte Ford das Portfolio des Escort und nahm vor
allem Familien als Zielgruppe ins Visier.
Auch nachdem der Ford Focus den Escort abgelöst hatte, wurden teilweise
zwei Modellreihen gleichzeitig in Saarlouis gebaut. So kamen zwischen
2008 und 2012 die ersten von mehr als 330.000 Kuga-Modellen aus
Saarlouis. Und von 2003 bis 2010 sowie von 2014 bis 2019 lieferte das
Werk mehr als 1,2 Millionen Ford C-MAX aus.
In der ersten Jahreshälfte 2020 plant Ford im Rahmen der anstehenden
Modellpflege eine Mild-Hybrid-Variante des Ford Focus. Die
Elektrifizierung wird also in Saarlouis fortgesetzt. Im Jahr 2013 ging
hier mit dem Ford Focus Electric das erste vollelektrische Ford-Modell
in Europa und Deutschlands erstes Elektro-Auto in Serie.
Als der erste Ford Escort vom Band lief, lag die Produktionskapazität
bei 20 Einheiten pro Tag, wobei die Rate noch im selben Jahr auf etwa
400 gesteigert wurde. Heute kommen zu den mehr als 15 Millionen
Einheiten aus Saarlouis an jedem Arbeitstag etwa 1160 hinzu. Am 13. Juni
werden die Ford-Werke das 50-Jahre-Jubiläum mit einem großen Fest auf
dem Werkgelände in Saarlouis feiern, zu dem Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter sowie ihre Verwandten, Freunde und Ford-Fans eingeladen
werden.
Text: ampnet/Sm
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