Exklusiv: Ausfahrt mit dem Toyota 2000 GT: Altes Eisen mit jugendlichem Elan
Aktuelle Fahrzeuge mit dem Ruhm eines Klassikers aufzuladen, ist gängige Praxis im Personenwagen-Geschäft. Man denke nur an die französischen Versuche mit dem Namen „Deesse“. Dass der neue GR Supra legitimer Nachfolger des legendären Toyota 2000 GT sein soll, erscheint deshalb plausibel. Wie weit die Gemeinsamkeit der Verwandten bei mehr als 50 Jahren Altersunterschied tatsächlich reicht, zeigt eine Lustpartie auf pfälzischen Landstraßen.
„Da musst Du jetzt durch“, versucht der Reporter die Auto-Suggestion zu
aktivieren, als er merkt, dass die Ehrfurcht Oberhand über die Neugier
zu gewinnen droht. Das teuerste Auto, das er bisher als Testwagen bewegt
hat, war ein Rolls Royce Phantom. Der kostet etwa eine halbe Million
Euro plus Steuern. Würde irgendwo auf der Welt – zum Beispiel auf einer
Auktion – ein Toyota 2000 GT angeboten, könnte der Verkäufer mit dem
Doppelten dieser Summe als Erlös rechnen. Ein bisschen mehr Respekt und
Konzentration als bei anderen Testfahrten scheint also angebracht.
Von dem geschmeidig-eleganten Zweisitzer, der als erster Supersportwagen
japanischer Herkunft gilt, wurden nur 351 Exemplare gebaut. Wie viele
heute tatsächlich noch existieren, weiß niemand so genau, noch weniger,
wie viele davon fahrbereit sind. Entsprechend selten erscheinen sie auf
dem Oldtimer-Markt. Wer einen hat, behält oder vererbt ihn im
Zweifelsfalle. Durch eine Verkettung glücklicher Umstände, so sieht es
Toyota Deutschland, ist man dort in den Besitz von zwei Exemplaren
gekommen. Und einer davon erfüllt nun einen lang gehegten Wunsch.
Der Newcomer GR Supra soll möglichst als lupenreiner Toyota wahrgenommen
werden, doch das bereitet Schwierigkeiten. Er entstand aus einer
Kooperation des japanischen Herstellers mit den Bayerischen
Motoren-Werken. Wer sich ein bisschen auskennt, wird nicht nur im
Innenraum zahlreiche Bauteile mit Wiedererkennungswert entdecken, auch
unter der mächtigen Motorhaube geht es trotz des Toyota-Schriftzugs auf
der Motorabdeckung ziemlich bayerisch zu. Der BMW Z4 benutzt den
gleichen Drei-Liter-Sechszylinder und das gleiche
Acht-Gang-Automatikgetriebe. Die Abstimmung macht den Unterschied,
versichern die Fachleute.
Einen Reihen-Sechszylinder bekam 1965 auch der 2000 GT, allerdings mit
nur zwei Litern Hubraum. Yamaha war damals Kooperationspartner für das
auf Kleinserienproduktion angelegte Projekt. Zur Umsetzung eines
derartig emotionsgeladenen Prestige-Unternehmens schien die als
Klavierfabrik gegründete Firma die notwendige Musikalität mitzubringen.
Schließlich sollte der 2000GT die von europäischen Erzeugnissen
dominierte Sportwagenszene aufmischen. Als Hersteller von Motorrädern
und Rennmotoren hatte sich Yamaha bereits in den 60er Jahren
internationales Ansehen erworben.
Weitgehend in Handarbeit wurde aus dem 2000 GT eine rollende Kultstätte
des technisch Machbaren. Während sich der Fahrer an einem
Armaturenträger aus Rosenholz erfreuen kann, der sieben Bordinstrumente
mit Chromeinfassung beherbergt, sorgen die Einzelradaufhängung mit
doppelten Querlenkern vorn und hinten sowie Scheibenbremsen auch heute
noch für exzellente Straßenlage und Verzögerung. Einen
Reihensechszylinder mit doppelter Nockenwelle zur Ventilsteuerung gab es
1965 nur noch bei Jaguar, die Verbindung mit einem
Fünf-Gang-Schaltgetriebe war einzigartig. Drei Solex-Flachstromvergaser
sorgen für die Gemischaufbereitung, bei 6600 Umdrehungen pro Minute
leistete der Motor damals 150 PS.
Der Designer Saturo Nozaki setzte das damals geltende Schönheitsideal
sportlicher Coupés in seiner Formensprache um. Die weit vor der A-Säule
liegenden Türscharniere erinnern beispielsweise an den Jaguar E-Type,
die Seitenlinie lässt an den Ferrari GTO denken und Freunde der Corvette
können am Heck Reminiszenzen entdecken. Gleichwohl hat der nur 1,17
Meter flache Toyota einen so eigenen und unverwechselbaren Stil, wie ihn
nur wenige spätere Modelle der Marke wieder erreichten. Imponiergehabe
wie es sich oft in ofenrohrgleichen Auspuff-Enden manifestiert, hat der
2000GT nicht nötig: Kaum mehr als daumendick sind die beiden Auslässe,
die sich an der Heckschürze frech in die Höhe recken. Einer
überzeugenden Akustik tut dies keinen Abbruch.
Die Klappscheinwerfer waren zunächst gar nicht vorgesehen, mussten
jedoch nachträglich in das Konzept integriert werden, weil die
sichtbaren Hauptlampen für US-amerikanische Zulassungsvorschriften zu
tief angebracht waren. Dies alles verteuerte das Auto erheblich. Als es
auf den Markt kam, kostete es rund 2,5 Millionen Yen, wofür man damals
zwei Oberklasse-Limousinen vom Typ Toyota Crown kaufen konnte.
Der GR Supra ist dagegen schon für 62 900 Euro erhältlich. Immer noch
eine stolze Summe, aber von den 6000 Stück jährlich, die Toyota bei
Magna in Graz bauen lässt, wird wohl ein Zehntel nach Deutschland
rollen. In seiner Optik kann man Stilelemente aus japanischen
Manga-Comics finden, andere fühlen sich vielleicht an Darth Vader
erinnert. Vor allem dem zerklüfteten Heck ist die martialische
Ausstrahlung zu verdanken, doch das Double-Bubble-Dach und das
trapezförmige Rückfenster weisen ihn eindeutig als Nachkömmling des
60er-Jahre-Renners aus. Druckvoll schiebt der GR Supra seine 340 PS an
die Hinterachse, die Schallkulisse dazu ist herzhaft, aber keineswegs
aufdringlich.
Derartige Zurückhaltung kennt der 2000 GT nicht. Schon winzige
Gashebelbewegungen entfachten einen kernigen Sound, so dass man dem
Motor glatt das Doppelte an Hubraum zutrauen würde. Nur gut, dass er
dies nicht hat, dann wäre die Last auf der Vorderachse noch größer und
das Lenken eine Tortur. Aber so ist das Holzlenkrad (ohne lästiges
Beiwerk wie Airbag oder Funktionstasten) trotz fehlender
Servo-Unterstützung halbwegs komfortabel zu bewegen. Gewöhnungsbedürftig
sind die auf den Kotflügeln aufgesetzten Rückspiegel, aber sie geben
ein realistisches Bild vom Geschehen hinter dem Wagen, was man vom
Innenspiegel nicht behaupten kann. Dafür vibriert er zu sehr.
Ab 1,80 Meter Körpergröße sind Ein- und Aussteigen mit gymnastischen
Übungen verbunden. Der 2000 GT ist 17 Zentimeter kürzer und zwölf cm
flacher als der GR Supra. Hat man im engen Fußraum seine Treter sortiert
und den Beckengurt einklicken lassen, geht es erstaunlich bequem zu.
Selbst das Getriebe verlangt kein suchendes Herumrühren, nur der dritte
Gang ist auffällig weit rechts zu finden.
Das manuelle Rückstellen des Kipphebels für den Blinker wird gern
vergessen, zu sehr ist der moderne Fahrer von den Segnungen der
automobilen Entwicklung verwöhnt. An Drehfreude hat das alte Eisen des
Motors trotz seiner 52 Lebensjahre nichts eingebüßt, mit jugendlichem
Elan strebt die Nadel dem roten Bereich zu. Dass nur 175 Newtonmeter
Drehmoment anliegen, mag man gar nicht glauben. Aber es sind inklusive
Insassen kaum mehr als 1300 Kilogramm zu bewegen. Schon ohne Passagiere
wiegt der GR Supra rund 300 Kilo mehr.
Zum authentischen 60er-Jahre-Sportwagenerlebnis gehören nicht zuletzt
die wiederkehrenden Fehlzündungen beim Runterschalten, die heutzutage
gern als Fake auf elektronischem Wege eingesteuert werden. Das
erfrischend unverfälschte, ein wenig raubeinige, aber extrem
unterhaltsame Fahrgefühl hat nur eine traurige Komponente: Mit jedem
Kilometer nähert sich der Testfahrer einem Ereignis, das er lieber noch
ganz weit wegschieben würde – dem Erreichen des Zieles.
Text: ampnet/Axel F. Busse
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