Erster Radar-Bulli springt nach über 54 Jahren sofort an
An einem Straßenabschnitt zwischen Düsseldorf und Ratingen fand vor 60 Jahren, am 15. Februar 1959, die erste offizielle Radarmessung in Deutschland statt. Bis dahin wurden Geschwindigkeitsübertretungen noch mit Stoppuhren ermittelt. Pünktlich zum Jahrestag nimmt Volkswagen einen seltenen Bulli in seine Nutzfahrzeug-Oldtimersammlung in Hannover auf. Bei dem 66 Jahre alten T1 handelt es sich um den ersten, der als Radarblitzer zu Schulungszwecken der Polizei in Niedersachsen im Einsatz war.
VW T1 Radarmesswagen (Baujahr 1953) und Ex-Polizeihauptwachtmeister Heinz Scholze (89), der vor rund 58 Jahren in dem Fahrzeug geschult worden ist. Foto: Auto-Medienportal.Net/Volkswagen
Das Fahrzeug stand über 54 Jahre weitgehend unbeachtet in Scheunen und
Garagen. Der 25-PS-Bulli von 1953 hat 65 144 Kilometer auf dem Tacho und
kostete damals 6750 D-Mark. Er wurde von der Polizei-Beschaffungsstelle
Niedersachsen erworben. Nach seinem Einsatz für die Polizei Hannover
wurden von 1961 bis 1964 damit Polizisten für den Umgang mit mobilen
Radarmessungen geschult. Mitarbeiter der „Ausbildungsstelle für Technik
und Verkehr“ installierten in das Heck des blauen Fahrzeugs ein
Blitzgerät. Die Radaranlage selbst war im Innenraum untergebracht. Dort
werteten Beamte an einem kleinen Schreibtisch die ermittelten Daten aus.
VW T1 Radarmesswagen aus den frühen 1960er Jahren. Foto: Auto-Medienportal.Net/Volkswagen
Heinz Scholze (89), damals Polizeihauptwachtmeister, war Teilnehmer des
„2. Radarlehrgangs“ 1961 in Niedersachsen und erinnert sich „Das war
absolutes Neuland – für die Verkehrsteilnehmer und für uns. Wir hatten
mit dieser neuen Technik ja überhaupt keine Erfahrung. Deshalb wurden
wir mehrere Wochen geschult.“ Für ihn war der Bulli „mein zweites
Zuhause“, in dem er stundenlang ganz allein auf dem Holzstuhl am
Radarmessgerät gesessen und aufgepasst hat. Wenn es aus dem Bulli-Heck
plötzlich blitzte, dann war das für die Autofahrer, aber auch für die
Polizei zunächst „völliges Neuland“, sagt cholze. Sein früherer Kollege
aus NRW und jetziger Vorsitzender des Deutschen Polizeimuseums, Felix
Hoffmann, erinnert sich: „Es gab unglaublich kuriose Fälle. Einen
Temposünder erwischten wir mal auf seinem Weg zur Preisverleihung
‚Kavalier der Straße‘.“
Die ehemaligen Polizisten Felix Hoffmann (li.) und Heinz Scholze in damaliger Uniform vor dem VW T1 Radarmesswagen (Baujahr 1953). Foto: Auto-Medienportal.Net/Volkswagen
Für Einbau und Wartung der Telefunken-Anlagen Typ
„VRG2-Verkehrsradargerät“ war damals Polizeihauptmeister Dieter Dell
(79) verantwortlich: „Das war technisch ziemlich aufwändig, alles in den
Bulli unterzubringen und zu verkabeln. Das Blitzgerät im Heck tarnten
wir durch eine Klappe in Wagenfarbe.“ Nach dem damaligen
Radar-Messprinzip werden zum Teil noch heute Temposünder ermittelt.
Nach 54 Jahren entdeckt: der erste VW T1 Radarmesswagen, der zu Schulungszwecken der Polizei in Niedersachsen im Einsatz war. Foto: Auto-Medienportal.Net/Volkswagen
1964 meldete die Polizei den Bulli ab, er ging in Privatbesitz über. Der
Blitzer-Bulli landete in Garagen und Scheunen. Der letzte Eigentümer,
ein Kfz-Meister aus Hannover, stellte ihn in seine Garage im Stadtteil
Badenstedt. Das Fahrzeug stand dort zwar vor Witterungseinflüssen
geschützt – blieb aber jahrelang weitgehend unbeachtet. Aus Zeitmangel
fand eine geplante Restaurierung nie statt, und so landete das Fahrzeug
bei Volkswagen Nutzfahrzeuge Oldtimer (VWNO) im nahegelegenen Stadtteil
Hannover-Limmer. Nach dem Einbau einer neuen Starterbatterie und einem
Motorölwechsel sprang der Motor trotz seiner jahrzehntelangen Standzeit
sofort wieder an.
VW T1 Radarmesswagen aus den frühen 1960er Jahren. Foto: Auto-Medienportal.Net/PTB Braunschweig
Die VW-Fahrzeugexperten ließen das Fundstück überwiegend im
Originalzustand, ergänzten es um fehlende, zeitgenössische
Ausstattungsdetails (etwa beim Mobiliar). Die Physikalisch-Technische
Bundesanstalt Braunschweig, die am 2. Dezember 1958 die
Radar-Messtechnik freigab, hat sogar noch die passende Radaranlage im
Bestand und stellt sie VW leihweise zur Verfügung.
Auch heute noch setzt die Polizei bekanntermaßen auf den Bulli. Allein
in Hannover sind derzeit 159 VW-Busse im Einsatz, der älteste ist ein 21
Jahre alter T4.
Text: ampnet/jri
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