Historie und Histörchen 2: Jeep, Düsenjäger, BMW und Lambo
Hanns-Peter Thyssen von Bornemisza ist ein Journalist und Fachbuchautor, den ältere Kollegen noch unter dem Namen Hanns-Peter Rosellen kennen. Der 1941 geborene Hamburger war Redakteur bei folgenden Blättern: „Deutsche Auto-Zeitung“, der heutigen „Auto-Zeitung“, „Die Welt“, „Welt am Sonntag“ und „Bunte“, zuletzt als geschäftsführender Redakteur. Viele Konstrukteure „deutscher Nachkriegs-Mobile“ wurden von ihm persönlich befragt. Diese Recherchen führten nicht nur zu Fachbüchern, sondern auch zu vielen Anekdoten aus den Jahren, als das Auto in Deutschland wieder laufen lernte. In dieser Folge geht es um deutsche Jeeps, Düsenjäger der Landstraße und die Fast-BMW-Tochter Lamborghini.Die deutsche „Jeep“-Produktion
Wenn der amerikanische Jeep seinen 75.Geburtstag feiert, wird auch aufgezählt, in wieviel anderen Ländern er in Serie gebaut wurde. Dabei wird meist vergessen, dass er auch in Deutschland gebaut wurde – unter der heute ganz in Vergessenheit geratenen Marke "Auto-Werke Salzgitter".Willys MB von 1944. Insgesamt gebaut 361 349 Exemplare, Vier-Zylinder-Benziner, 2199 ccm, 100 km/h Höchstgeschwindigkeit,0 auf 80 km/h in 19 Sekunden. Foto: Auto-Medienportal.Net
Im August 1945 schlossen sich ein Herr Janssen, Besitzer eines
Reparatur-LKW mit eingebauter Werkstatt, und der Pole Josef Mikolajczyk
zusammen und gründeten die Janssen & Mikolajczy OHG, die sich mit
Autoreparaturen beschäftigte. Weil sie gute Arbeit leisteten, fand die
OHG Kontakt zur Firma S-T-E-G, die von den US-Besatzern gegründet worden
war, um die vielen Schrott-Autos aus Militärbeständen zu verwerten.
Für wenig Geld kaufte die Firma 200 defekte Jeeps, die irgendwo in
Deutschland in der Landschaft herumlagen und zu verrotten drohten. Sie
wurden nach Salzgitter geschafft, wo sie von Grund auf restauriert und
als neuwertige Jeeps für etwa 7000 Mark ab der Währungsreform (Juli
1948) an die autohungrigen Deutschen verkauft wurden. Das Geschäft
blühte, die OHG nannte sich um in "Auto-Werke Salzgitter (AWS)". Rund
3000 Arbeiter, meist Flüchtlinge aus den Ostgebieten, fanden hier
Arbeit. Zeitweise war die AWS Deutschlands größter Auto-Hersteller. Doch
der Vorrat an Schrottautos ging zu Ende, es musste ein neues Modell
her.
In Ludwig Elsbett, einem früheren Flugzeugkonstrukteur der Junkers-Werke
aus Dessau-Rosslau, fand AWS den geeigneten Mann: Ludwig Elsbett, einen
früheren Flugzeugkonstrukteur der Junkers-Werke aus Dessau-Rosslau. Er
übernachtete in einer Grube im bayerischen Hilpoltstein, besorgte sich
die Teile und Rohmaterialien zu seinem Wagen von Schrottplätzen und
herumliegenden Kriegsgerät. Er entwickelte völlig allein unter
primitivsten Verhältnissen ab Frühjahr 1949 einen ungewöhnlichen
Personenwagen, eine Mischung aus Limousine und Kombiwagen mit vier Türen
und einer großen Heckklappe.
Der Wagen besaß keinen Kühlergrill, weil der Fahrtwind von unten
aufgesaugt werden sollte. Von den zwölf Versuchsexemplaren, die später
gebaut worden waren, gab es allerdings auch einige, die aus
Dekorationsgründen einen Kühlergrill besaßen. Im Innenraum bot der Wagen
drei Sitzreihen für acht Personen. Das Heckfenster war zweigeteilt. Er
besaß schon umlegbare Sitze und bot 2,5 qm Ladefläche. Der Wagen besaß
einen Radstand von 3,0 Metern. Spitze 120 km/h. Ungewöhnlich war auch
der Motor: ein 2,0-Liter- Vierzylinder-Zweitakt-Diesel in Sternform (wie
bei Flugzeugmotoren üblich), der 80 PS leistete. Er saß im Bug und gab
seine Kraft auf die Hinterräder. Doch der sternförmige Motor hatte keine
lange Lebensdauer.
Im September 1951 wurde der AWS Elsbett (benannt nach seinem
Konstrukteur) offiziell vorgestellt. Die schon fest zugesagten
Aufbaukredite des Bundeslandes Niedersachsen für die Auto-Werke
Salzgitter(AWS) wurden aber nicht ausgezahlt mit der Begründung, der
Firmeneigner habe noch nicht einmal das Abitur geschafft. Damit waren
die Auto-Werke Salzgitter Ende 1951 finanziell am Ende.
Es hatten wohl die Lobbyisten des Volkswagenwerks bei der
Landesregierung Niedersachsen ganze Arbeit geleistet. AWS-Initiator
Josef Mikolajczy war ruiniert und arbeitete den Rest seines Lebens als
Nachtportier in einem Düsseldorfer Hotel. (Quelle: Ludwig Elsbett)
Ludwig Elsbett (1935). Foto: Wikipedia, Elsbett-Museum
Lamborghini - beinahe eine BMW-Tochter
Im Jahre 1978 brachte BMW seinen Mittelmotor-Sportwagen M 1 heraus. Ein 3,5 Liter-Sechszylinder mit Kunststoffkarosserie, auf dessen Entstehung der damalige Sportdirektor Jochen Neerpasch großen Einfluss hatte. Doch schon ein Jahrzehnt zuvor gab es den Gedanken, ein Sportcoupe der Spitzenklasse zu entwickeln. Der Rennfahrer Hubert Hahne unterbreitete schon 1968 einen solchen Vorschlag. Hubert Hahne war nicht nur Rennfahrer, sondern zugleich BMW- und Lamborghini-Händler. Er schlug dem damaligen Verkaufschef Paul G. Hahnemann vor, auf eigene Kosten eine kleine Serie eines solchen Mittelmotor-Coupés aufzuziehen.
Nach dem ersten unverbindlichen Okay schmiedete Hahne Kontakte zu den
italienischen Designern Nuccio Bertone und dem – damals noch wenig
bekannten – Giorgietto Giugiaro. Mitte 1971 hatte Bertone bereits
Zeichnungen zu diesem Projekt fertig. Bertone hatte sich sogar bereit
erklärt, fertige Karosserien zu liefern. Lamborghinis Chefkonstrukteur
Stanzani konstruierte in Windeseile ein Chassis mit Mittelmotor und
extrem dünnen Gitterrohrrahmen.
Nachdem nun konkrete Pläne vorlagen, änderte BMW die Geschäftspolitik
und wollte dieses Coupé nun in eigener Regie bauen. Ein
Drei-Liter-Sechs-Zylinder-Motor wurde über die Alpen geschickt und BMW
bekam von Lamborghini komplette Prototypen zurück. Kurze Zeit später
unterschrieb Hahnemann einen Vertrag, wonach Lamborghini für BMW einen
solchen Sportwagen entwickeln und bauen sollte. BMW wäre sogar bereit
gewesen, Lamborghini aufzukaufen, doch die Besitzer lehnten ab.
Als Lamborghini gerade zwei Exemplare des Sportwagens mit
Vierzylindermotoren bestückt und nach München geschickt hatte, schied
Paul G. Hahnemann aus. Der Vertrag wurde kurzerhand storniert. Nach
Zahlung einer Abfindung schickte Lamborghini die beiden
Zweiliter-Vierzylinder-Chassis nach München, wo sie in einer Ecke der
Entwicklungsabteilung verstaubten. Erst ein Jahrzehnt später kam der M
1, der in 307 Exemplaren bis April 1981 gebaut wurde.
Aeolus: Ein wahrer Düsenjäger der Landstraße
Zusammen mit dem Kaufmann Heinz Elschenbroich begann Kurt Faust im Herbst 1952 mit der Entwicklung eines Kabinenrollers, den er „Aeolus" nannte. Mit Heckflossen, Plexiglas-Kuppel und einem luft/gebläsegekühlten 200 ccm-Ein-Zylinder-Zweitakt-Motor im Heck, sah er dem Messerschmitt Kabinenroller ähnlich. Die Höchstgeschwindigkeit war mit 70 km/h angegeben, der Verbrauch sollte bei nur 2,5 l/100 km liegen. Reifen 3.50 x 13. Die Karosserie sollte aus Leichtmetall bestehen, das Oberteil aus Plexiglas und einem aufklappbaren Leinwanddach.
Prospekt: „Ein wahrer Düsenjäger der Landstraße". Der Fahrersitz war in
der Mitte angeordnet, Platz für zwei Passagiere blieb dahinter. „Fahren
Sie allein, dann steuern sie den Aeolus wie ein Flugzeug vom Mittelsitz
aus, mit dem in die Mitte geklappten Lenkrad hinter der
Vollsicht-Glaskuppel", stand im Prospekt. Maße: 3,35 x 1,50 x 1,20 m.
Radstand 2,10 m. Leergewicht 200 kg. Der Aeolus sollte vorn ein
Einzelrad und hinten zwei Räder haben. Faust schwebte als Getriebe eine
stufenlose Riemen-Automatik vor, wie sie sechs Jahre später von der
holländischen Lastwagenfabrik DAF am Markt verwirklicht wurde. „Ein
Fahrzeug, das nur auf das Gaspedal reagiert, dessen Motor Sie nicht
abwürgen können, das Nonplusultra der Fahrbequemlichkeit", warb Faust.
Im März 1953 sollte die Serienproduktion anlaufen. Aber außer einem
Fahrgestell und vielen Prospekten wurde beim Aeolus aus Geldmangel
allerdings nichts fertig. Immerhin baute Faust in dieses Fahrgestell
schon ein solches Riemen-Getriebe ein – wie Fotos beweisen. Die
Passat-Werke rutschten in den Konkurs. Kurt Faust endete im Armenhaus,
Teilhaber Heinz Elschenbroich begann mit neuen Geldgebern, unter anderen
dem Landmaschinenvertreter Romanus Müthing, für den Bau des
Dreirad-Wagens Pinguin. Der hatte wieder Geld in das Projekt gesteckt,
um die Vertretung zu bekommen. Immerhin gab es schon Prospekte vom
Aeolus und das Projekt Pinguin erschien ihm eine solidere Grundlage.
(Quelle:Romanus Müthing).
Quelle; ampnet – 30. Juni 2016
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