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24. May 2016 20

In Manila wurde einst aus dem Jeep der Jeepney

Von Jens Meiners



ampnet – 20. Mai 2016. Der Lärm ist unbeschreiblich, wenn die Fahrer ungeduldig mit dem Gaspedal spielen. Wenn die Ampel auf Grün springt, wird der Lärm zum Getöse und die Szene verschwindet im Abgasnebel. Willkommen in Manila: Anstelle eines herkömmlichen öffentlichen Nahverkehr regieren hier die Jeepneys – und das seit reichlich sechs Jahrzehnten.
Neuer Jeepney im vollen Dekor.  Foto: Gregg Manalo

Neuer Jeepney im vollen Dekor. Foto: Gregg Manalo

Es ist der blanke Anachronismus: Basierend auf zurückgelassenen Fahrgestellen amerikanischer Willys-Jeeps haben die Filipinos eine Art Kleinbus entwickelt mit Karosserien aus Edelstahl, Planen anstelle von Seitenfenstern und längs eingebauten Sitzbänken mit Platz für – je nach Baumuster – mehr als 25 Personen. Die technische Basis ist noch gut sichtbar, wenngleich so mancher Jeepney-Besitzer sein Gefährt mit einem stolzen Mercedes-Stern verziert.
Dieser kurze Jeepney von 1955 ist eines der ersten Modelle von Sarao.  Foto: Gregg Manalo

Dieser kurze Jeepney von 1955 ist eines der ersten Modelle von Sarao. Foto: Gregg Manalo

Die stets bunt verzierten, häufig mit frommen Symbolen versehenen Jeepneys fahren nicht nur in der Tropenmetropole, sondern im ganzen Land ihre vorgegebenen Routen ab, und rein theoretisch gibt es auch Haltestellen, nach denen sich die Fahrer richten müssen. In der Realität halten sie überall an, wo ein Fahrgast aufgelesen werden kann, und sie setzen ihn auch nach Wunsch punktgenau ab. Ist der Fahrer, der oft auch der Besitzer ist, der Auffassung, die Kapazität sei noch nicht ausgeschöpft, wird das Tempo gerne auf ein Minimum reduziert. Es wird sich schon noch jemand finden, der aufspringt.
Der Kreativität bei der Verzierungder Jeepneys sind keine Grenzen gesetzt.  Foto: Gregg Manalo

Der Kreativität bei der Verzierungder Jeepneys sind keine Grenzen gesetzt. Foto: Gregg Manalo

Denn auf die Masse der Fahrgäste kommt es an. Eine Mitfahrt ist ausgesprochen günstig, beginnend bei umgerechnet knapp 13 Cent; für jeden Zusatzkilometer werden gerade mal 2 Cent extra fällig. Eine Fahrt mit dem Jeepney ist somit viel erschwinglicher als Taxi, Schnellbahn oder auch das "Tricycle", eines jener kleinen Motorräder, deren Beiwagen Platz für ein oder zwei Passagiere bietet. Und weil die Jeepneys so billig und unkompliziert sind, tun sich wohlmeinende Politiker ausgesprochen schwer damit, ihnen den Garaus zu bereiten, zumal man ihnen durchaus den Status einer kulturellen Ikone zusprechen kann.
Ein neuer Jeepney im Frühstadium.  Foto: Gregg Manalo

Ein neuer Jeepney im Frühstadium. Foto: Gregg Manalo

So sieht es auch Ed S. Sarao, in dessen Werk in Las Pinas City im Süden von Manila pro Jahr rund 40 der Traditionsmobile nach alter Väter Sitte zusammengeschraubt werden. „Es waren auch schon einmal 200 bis 300“, erinnert sich der Firmenchef – und zwar in der Marcos-Ära der 70er und 80er-Jahre, für sein Geschäft „eine goldene Zeit“. Nötig hat es der 56-jährige nicht mehr: Die Familie hat in Immobilien investiert, die Produktion von Jeepneys ist „eine Art Hobby“. Nebenbei restauriert Sarao amerikanische und japanische Klassiker für Kunden und die eigene Sammlung; besonders stolz ist er auf einen '62er Pontiac, den sein Vater von einem Bekannten fast neu übernommen hat.
Die Jeepneys werden in einer halboffenen Werkstatt gebaut.  Foto: Gregg Manalo

Die Jeepneys werden in einer halboffenen Werkstatt gebaut. Foto: Gregg Manalo

Jeepneys werden überall auf den Philippinen zusammengeschraubt; was die Sarao-Werke auszeichnet, ist ihr guter Ruf und ihre lange Tradition. Deshalb kann es sich die Manufaktur auch erlauben, höhere Preise als die Konkurrenz aufzurufen: Für einen Jeepney-Bus in Langversion werden hier rund 650 000 philippinische Peso, umgerechnet knapp über 12 000 Euro, fällig. 60 bis 90 Arbeitstage dauert es ab Auftragseingang, bis ein Jeepney abgeholt werden kann; die Modelle entstehen von Grund auf am gleichen Standort, mit schwerem Kastenrahmen, Blattfedern vorn und hinten und einem Aufbau aus Edelstahl, der auf Wunsch mit hochglänzenden Elementen verziert werden kann.
Rohbau bei Sarao.  Foto: Gregg Manalo

Rohbau bei Sarao. Foto: Gregg Manalo

Unter der Haube stecken typischerweise generalüberholte Isuzu-Dieselmotoren mit vier Zylindern und 3,2 Litern Hubraum. Wieviel die leisten? Sarao will sich nicht ganz festlegen: „Früher waren es 68 PS, heute werden es rund 80 PS sein". Für die Kraftübertragung auf die Hinterachse sorgen manuelle Fünf-Gang-Getriebe. Wer einen nagelneuen Motor unter der Haube möchte, muss einen Aufschlag von bis zu 300 000 Peso, rund 5500 Euro, einkalkulieren.
Rahmen und Karosserie eines neuen Jeepney.  Foto: Gregg Manalo

Rahmen und Karosserie eines neuen Jeepney. Foto: Gregg Manalo

Doch für eine derartige Investition besteht wenig Veranlassung, denn die großvolumigen Maschinen sind ohnehin nicht kleinzukriegen – zumal von Turboaufladung und komplizierten Einspritzsystemen niemand etwas wissen will. Eine Abgasreinigung ist ebenfalls nicht vorgesehen. „Keine Computer", stellt Sarao befriedigt fest.
So geht ein neuer Jeepnay an den Kunden.  Foto: Gregg Manalo

So geht ein neuer Jeepnay an den Kunden. Foto: Gregg Manalo

Der Zukunft, sollte sie denn schärfere Abgasvorschriften bringen, will man sich nicht verschließen. Bezahlen soll das dann aber bitte die Regierung. Man könne keine aufwendige Antriebsentwicklung betreiben. Und wer die gemütlichen Büroräume und die weitgehend unter freiem Himmel stattfindende Produktion in Augenschein nimmt, glaubt das dem Firmenchef gerne.
Der Autor am Steuer eines neuen Jeepney im Auslieferungszustand.  Foto: Gregg Manalo

Der Autor am Steuer eines neuen Jeepney im Auslieferungszustand. Foto: Gregg Manalo

Heckansicht eines neuen Jeepney.  Foto: Gregg Manalo

Heckansicht eines neuen Jeepney. Foto: Gregg Manalo

Blick in das frugale

Blick in das frugale "Cockpit" eines Jeepney. Foto: Gregg Manalo

Hier werden die Fahrgäste Platz nehmen.  Foto: Gregg Manalo

Hier werden die Fahrgäste Platz nehmen. Foto: Gregg Manalo

Eine Zukunftsvision für den Jeepney hat Sarao dennoch auf die Räder gestellt, in Form eines deutlich größeren Fahrzeugs mit geschlossener, vollklimatisierter Kabine und einem 4,2-Liter-Nissan-Aggregat. Bei der Studie handelt es sich um die Diplomarbeit von Jackie Sarao, dem Sohn des Firmenchefs. „Eigentlich wollte ich im Format des klassischen Jeepney bleiben, aber das Projekt ist ein bisschen gewachsen", lacht der 25jährige. Auf eine Probefahrt muss verzichtet werden, denn um längere Strecken zurückzulegen, ist noch Feinarbeit am Antrieb nötig.
So stellt sich Jackie Sarao einen Jeepney der Zukunft vor.  Foto: Gregg Manalo

So stellt sich Jackie Sarao einen Jeepney der Zukunft vor. Foto: Gregg Manalo

Einstweilen parkt die kantige Zukunftsvision einträchtig neben den aktuellen Typen, die sich in unterschiedlichen Phasen der Fertigstellung befinden. Und es gibt noch mehr zu sehen, und zwar nicht nur Sammlerstücke aus verschiedenen Epochen der Firmengeschichte, sondern eine besondere Pretiose: Ein im Wiederaufbau befindlicher Jeepney in Kurzausführung, der dem historischen Vorbild der US-Marke Willys sehr nahe kommt. Den letzten davon hat Sarao in den 80er-Jahren gebaut, Aufträge für Neufahrzeuge nähme man jedoch gerne entgegen. Wer will, kann dafür auch einen 4,2-Liter-Motor ordern, auch wenn Jackie Sarao nicht zu unrecht vermutet, dass der Hecktriebler damit wohl leicht übermotorisiert wäre.
Der Autor und Jackie Sarao am Prototyp eines neuen Jeepney.  Foto: Gregg Manalo

Der Autor und Jackie Sarao am Prototyp eines neuen Jeepney. Foto: Gregg Manalo

Es ist ein reizvoller Gedanke: Für weniger als 10 000 Euro (soviel würde Sarao aufrufen) wäre man nicht nur beim Ampelrennen in Manila ganz vorne dabei, sondern besäße auch ein Stück elementarer Auto-Mobilität. Nur mit der Zulassung außerhalb der Philippinen dürfte es schwierig werden. (ampnet/jm)
Firmenchef Ed S. Sarao und Sohn Jackie.  Foto: Gregg Manalo

Firmenchef Ed S. Sarao und Sohn Jackie. Foto: Gregg Manalo

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